Radtour: Frühere Deiche, Siele und Häfen in Hage

Radtour auf den Spuren früherer Deichlinien, Siele und Häfen in Hage
von Hans-Gerd Coldewey

Einführung: Die Entwicklung des Küstenraums nördlich des Hager Geestrückens wurde geprägt durch die Ende der Saaleeiszeit entstandene Hager Bucht (siehe vorstehener Bericht), die in den Warmzeiten (Eem und Holozän) verlandete. Noch im 8. Jahrhundert lag das damals mächtige Seegat „Wichter Ee“ in Höhe des heutigen Norderneyer Leuchtturms. Deren Prielausläufer reichten noch bis Hage und Berum bzw. Wichte. Die folgenden Karten gibt eine geomorphologische Übersicht der Situation vor Beginn des Deichbaus – etwa 800 n. Chr. – (nach Homeyer). Die scharze Linie zeigt den heutigen Verlauf der Küstenlinie. Die Marsch ist grün dargestellt, die Geest gelb, diese war weitgehend mit Moor bedeckt. So waren auch in Hage die südlich der Hauptstraße gelegenen Geestflächen mit Moor bedeckt.

Die Ausläufer des großen Seegats sind die Hilgenriede im Westen und im Osten die Wichter Ee, die etwa in Nord-Süd ausgerichtet waren. Sie dienten über lange Zeit als Schifffahrtswege zur Versorgung der damaligen Siedlungen. Die Insel Baltrum lag noch in Höhe der Ostdünen der heutigen Insel Norderney. Im Zuge von großräumigen geomorphologischen Veränderungen entwickelte sich die Insel Norderney nach Osten. Das Watteinzugsgebiet und der Querschnitt der sich (um ca. 8 km) ostwärts verlagernden Wichter Ee nahmen ab. Infolge dieser Entwicklung konnte die Küste rasch seewärts anwachsen und die Hagermarscher Bucht innerhalb weniger Jahrhunderte verlanden. Die Anwachsflächen wurden als Theelland (tilian(friesisch) = urbar machen) im Gemeinbesitz bewirtschaftet. Zu den ersten Theelachtern der über 1.100 Jahre alten Norder Theelacht gehörten Bauernfamilien aus Lütetsburg, Berum und Blandorf. Bereits um 1300 konnten die Küstenbewohner eine geschlossene Deichlinie in Höhe der heutigen Küstenstraße (L 5) erbauen. Auf einer Radtour können wir versuchen, die Lagen früherer Deichlinien, Siele und Häfen nachzuempfinden. Der Verlauf der Radtour ist auf der nachfolgenden Karte und ihrer Ausschnitte als rote Linie dargestellt. Die angefahrenen Punkte sind mit Nummern versehen.

Bildausschnitt Bereich Hauptstraße
  • Startpunkt der Fahrradtour (auf der Karte als rote Linie dargestellt): Hager Mühle. Hier lag vor ca. 1000 Jahren der Anschlusspunkt des ersten Deiches in Hage, des Oll´n Diek, an den Geestrücken, der damals ebenfalls Deichfunktion hatte (heutige Hauptstrasse, früher als Hagerwegh bezeichnet). Anhand der westlich der Hagermarscher Strasse ansteigenden Geländehöhen ist die Lage des Deiches noch vor Ort erkennbar. Der Deich schützte nach den Ergebnissen der historischen Arbeiten von Magda Heyken die Polderflächen westlich Eschentüner, um Fritz Lottmann-Straße sowie das „Lütje Holt“, früher Marktplatz, heute KGS, vor dem Wasser aus dem Waterweg, der entlang der heutigen Hagermarscher Straße verlief (siehe Nr. 12). Am „Alten Dieker“ liegt die Nordflanke dieses Deiches.
  • An der Nordseite des Gasthauses Martini wird der ehemaligen Wirtschaftsweg Tüdderlandslohne erreicht (siehe Nr. 2, heute: Am Markt), der nordwärts an den früheren, etwa parallel zum Hager Tief verlaufenden Barckelweg, einem früher bedeutenden Wirtschaftsweg, anschloß (Barcke = Boot, Kahn). Am ihm landeten nach Magda Heyken die „Barcken“ von Neßmersiel, die ihr Gut im Hafen Berum umschlugen (siehe 10.).
  • Am Weidenweg lag – das älteren Hagern noch bekannte – „Alte Siel“ in Höhe der heutigen Hauptstasse, das den Burggraben der Hinckenborgh entwässerte. Der Sielgraben mündete nach Westen in den Schippschloot (Nr. 3), der um 1740 als Schiffstransportweg der Ziegelei Weyert Sassen diente, die östlich des Breiten Weges erbaut wurde. Nördlich Hage gab es später weitere 3 Ziegeleien, am Thunschloot östlich Marienhof, später in Höhe des heutigen Tierheims an der Hagermarscher Straße und in Lütetsburg am Kaakweg nördlich des Nordholzes.
  • Am heutigen Breiten Weg verlief die Hilgen-Riede, das als Außentief des Roten Siels diente und eine bedeutende Schiffahrtsrinne war. Am Roten Siel hatten die Warfensiedlungen Lütetsburg und Hager Hilgenburer Rott ihren Hafenumschlagplatz(Nr. 4). Infolge der Verlandung der Hagermarscher Bucht verlor der westlich des Breiten Weges gelegene Schiffahrtsweg später an Bedeutung. Der Ziegeleibesitzer Sassen ließ den Schippschloot östlich des Breiten Weges graben und schuf damit einen Schiffahrtsweg nach Neßmersiel über das Hager Tief und den Thunschloot. Die südlich der L6 gelegene natürliche Warf „Hooge Lücht“ war Standort eines Bakenfeuers, das den Schiffen auf der Hilgen-Riede und später auf dem Schippschloot den Weg Richtung Hage wies.

Die Fahrt auf dem Breiten Weg Richtung Hager Tief verläuft entlang der früheren Hilgen-Riede (vor 1200 Jahren!), rechts wird die Lage des Schippschlootes vermutet (5a). Am Meint-Ehlen-Weg wird die vermutlich erste Deichlinie an der Hagermarscher Bucht gekreuzt (5b), die nach Ostnordost verläuft.

Hinweis: Nördlich der Zeppelinstraße besaß Hage während des Ersten Weltkrieges einen bedeutenden, 150 ha großen Luftschiffhafen der Kaiserlichen Marine. An den Luftschiffhafen, der im Norden bis zum Meint-Ehlen-Weg reichte, erinnert heute die „Zeppelinstraße“. Ansonsten sind nur noch Reste des früheren Gaswerkes auf dem ehemaligen Sabbarth-Gelände an der Stettiner Straße, das damals Wasserstoff-Gas für die Zeppeline lieferte, erhalten. Über folgenden Link gelangen Sie zu weiteren Informtionen.

  • Östlich der Siedlungshöfe führt die Radtour links ab Richtung Finkenstede. Der Verlauf der ersten Deichlinie der Hagermarscher Bucht ist erkennbar am Unterschied in der Bodenentwicklung/-nutzung (Nr. 6). Seewärts die jüngere Seemarsch (Ackernutzung) und landseits Weidenutzung (älterer Boden).

 

 

 

 

  • auf dem Weg zurück Richtung Tierheim wird der vermutliche frühere (vor 1200 Jahren) Verlauf der Wichter Ee gekreuzt (etwa Höhe Finkentog). Weiter geht´s links ab auf den neuen Radweg entlang der Hagermarscher Straße (früherer Waterweg(Nr.7)). Rechts ist ein Ausläufer des ehemaligen Waterweges erkennbar.
  • In Höhe des Eliesenhofes wird eine zwischenzeitlichen Deichlinie erreicht. Die Kolke sind vermutlich auf Deichbrüche zurückzuführen. Östlich Eliesenhof ist eine deutliche Geländeerhöhung (ehemaliger Deich) feststellbar (Nr. 8). Erkennbar sind deutliche Unterschiede in der Bodenentwicklung: Nördlich die fette Seemarsch, im Süden „Altes Land“.
  • Die Fahrt führt nach Süden entlang der Marienhofstraße. Rechts „Altes Land“. Dann wird der ehemalige Thunschloot (heute Norder Tief (Nr. 9)) erreicht, der für Schiffstransporte nach Neßmersiel genutzt wurde, nachdem die alte Wichter Ee und der nördliche Abschnitt des Waterwegs (entlang der heutigen Hagermarscher Straße) verlandet bzw. durch die Deichlinien unterbrochen waren. In Höhe des Wäldchens wird wieder die erste Deichlinie aus Richtung Tierheim erkennbar.
  • Vor Erreichen der Bahnlinie führt die Tour rechts ab auf den Pflasterweg Richtung Wald unmittelbar südlich des ehemaligen Thunschlootes. Südöstlich des heutigen Klärwerkes liegt sumpfiges Gelände, das Standort des früheren Hafenumschlagplatz von Berum (Nr. 10) in der damligen Wichter Ee vorstellbar ist, nach Süden deutet sich der Verlauf des ehemaligen Schlagbaumtiefs an. Hier wurde von Barcken in kleinere Kähne umgeladen (z.B. 200 Schollen von Neßmersiel für die Armenverwaltung in Hage). Weiter Richtung Südwest wird am Wegeknick die Lage des alten Beerweges vermutet, ein früher vielgenannter Wirtschaftsweg, der Berum seinen Namen gab.
  • Die Fahrt geht weiter auf der Marienhofstraße nach Süden und dann durch den Juliusforst nach Westen. Gekreuzt wird das Schlagbaumtief (Nr. 11), ca. 150 m weiter der heute kaum erkennbare Beerweg
  • Auf der Hagermarscher Straße führt die Fahrt in Nordrichtung entlang des Waterweges (Nr. 12), gekreuzt wird das Hager Tief, das erst in der Allerheiligenflut 1570 seinen Weg als kleine Ehe nach Osten fand, und den früheren Barckelweg etwas nördlich der Höhe Zeppelinstraße. Westlich und östlich sind breite Schloote als Überreste des Waterweges zu sehen. Unmittelbar südlich des Müllplatzes knickt der heute noch mächtige Thunschloot nach Osten ab, er diente früher als Hauptentwässerungsrinne und Schiffahrtsrinne Richtung Neßmersiel. In Nord-richtung ist der weitere Verlauf des Waterwegs auf beiden Seiten der Straße vorstellbar. Der Waterweg war 1717 noch mit Kähnen befahrbar. Nach Ausbau des „Hagerweghs“, der heutigen L6, der anläßlich des angekündigten Besuches des Preußenkönigs, Friedrich des Großen, erstmals 1750 gepflastert und 1816-19 als Straße ausgebaut wurde, verloren die Wasserwege an Bedeutung. 1862 – 1865 wurde die Hagermarscher Straße erbaut.
  • Schließlich fahren die Teilnehmer zurück entlang des Waterwegs Richtung heutiger Hager Mühle, deren Umgebung als früheren Hafenumschlagplatz für die Warfensiedlung Vnuggenburer Rott (Nr. 13) diente.