Hager Schätze

Kulturhistorische Gärten und Landschaften in und um Hage

Die Ortschaften Lütetsburg/ Hage/ Berum liegen im nördlichen Bereich des Landkreises Aurich. Das Gebiet um diese Ortschaften gehört zu den waldreichsten Gebieten im Kreis Aurich. Es liegt unmittelbar im Übergang von Geest, Marsch und Moor. Schon im frühen Mittelalter waren diese Gebiete direkt am Geestrand besiedelt. So kamen in den letzten Jahren bedeutende archäologische Funde zutage, die bis weit in das Jahr 1.000 n.Chr. herein reichen. Der im Küstennahbereich – vor Beginn des Deichbaus nahezu sturmflutfrei – gelegene natürliche Höhenrücken des Geestrandes um Lütetsburg, Hage, Berum und Blandorf-Wichte bot sich zur Siedlung an.

Geländemodell

Das Geländemodell zeigt die Höhenschichten in 50 cm – Stufen um Hage. Die hellgelb bis gelb angelegten Flächen liegen heute unter dem Niveau des mittleren Tidehochwassers. Zu erkennen ist auch die über NN + 6 m hoch aufragende kleine Kirchwarft in Hage. Die angrenzenden braunen Flächen liegen oberhalb NN + 3,5 m, die hellbraunen oberhalb NN + 3 m. Die folgende Karte zeigt die Lage der heutigen Siedlungen und die großen um den Luftkurort Hage angelegten Waldflächen. In Küstennähe sind diese Wälder eine Besonderheit.

Karte Lütetsburg

Lütetsburg war Stammsitz der Häuptlingsfamilie Manninga und später durch Einheirat Stammsitz der Familie Knyphausen, die noch heute das Schloss bewohnt. Diese Schlossanlage liegt unmittelbar an der Landesstraße 6, die in östlicher Richtung durch den Flecken Hage und die Ortschaft Berum führt.

Schloss Lütetsburg
Schloss Lütetsburg

 

Lütetsburger Schloß aus Südost, April 2020

 

Östlich des Schlosses an der Hauptallee, April 2020

 

Mühle BerumAuf der östlichen Seite des Fleckens Hage liegt die Ortschaft Berum, die von ausgedehnten Waldgebieten in nördlicher und südlicher Richtung eingefasst ist. Von weither sind die Wahrzeichen von Hage/Berum zu sehen. Es sind dies die mächtige Backsteinkirche (Bild unten) und die höchste Galerieholländer-Mühle im Kreisgebiet (Bild rechts).

Backsteinkirche Berum
Blick aus Südost auf die Ansgarikirche mit Damwild auf dem Feld, April 2020

 

Schlosspark in LütetsburgDer Schlosspark in Lütetsburg wurde vor etwa 200 Jahren als Landschaftspark entwickelt und ist weit über die Grenzen Ostfrieslands und Niedersachsens bekannt. Der Schlosspark mit seinen 1.500 verschiedenen, zum Teil seltenen Baumarten trägt in besonderem Maße zum Ansehen des Gemeindebereichs bei. Der Landschaftsgarten von Lütetsburg gilt als einer der schönsten und größten Norddeutschlands. Von kleinen Wasserläufen durchzogen, unter mächtigen Schatten spendenden Bäumen Erholung bietend, stellt dieser Park ein Meisterwerk seines Gestalters, des Oldenburgischen Hofgärtners Carl Ferdinand Bosse, dar. Naturfreunde bezeichnen diese Anlage, besonders zur Zeit der Rhododendron- und Azaleenblüte, als ein „Wunder“ in der ostfriesischen Landschaft.

Blickachse Süd durch den Schlosspark, März 2020

Die geschichtliche Entwicklung von Berum und Lütetsburg ist als sehr bedeutend anzusehen. In der Chronik der Geschichte Ostfrieslands nimmt die Gemeinde Berum einen hervorragenden Platz ein. Ihre Namensgebung wird einer alten Leseart zufolge mit Heim der Bären angegeben, wonach dann der Name berum entstanden ist. Berum ist vermutlich eine uralte Herrschaft, die schon zur Zeit Karls des Großen der Familie Tzerklaes, Herren zu Osteel, Berum und Marienhafe, gehört haben soll. Mit Sicherheit darf angenommen werden, dass Berum schon im 14. Jh. Häuptlinge hatte. Im Jahre 1408 ist unter den gemeinsam Verbündeten in einem Vertrage Keno tom Broks mit den Hamburgern auch der Name Berne lesbar. Die Häuptlingsgeschichte Ostfrieslands hatte also hier ihren Ursprung. Dieser ursprüngliche Hauptlingssitz kam im 15. Jh. in den Besitz der Cirksenas, des Grafen von Ostfriesland. Edzard Cirksenas zweite Frau Frouwe war die Tochter Martin Sydsenas, wobei durch Heirat die Burg mit all ihren Gerechtigkeiten ihren bisherigen Besitzer wechselte. Nach dem Tode von Edzard und Frouwe, die im Jahre 1441 an der Pest verstarben, wurde Ullrich Cirksena 1464 zum Reichsgrafen von Ostfriesland ernannt, der damit Nachfolger auf Schloss Berum wurde. Von 1599 – 1610 war das Schloss der Witwensitz der Gräfin Catharina, die als Wohltäterin der Armen weithin bekannt war. Das Helenenstift in Hage wurde von ihr gegründet. Im weiteren Verlauf der Geschichte dieser Schlossanlage ist noch Folgendes festzuhalten: Zur Zeit des 30-jährigen Krieges richtete der Anführer der kaiserlichen Gruppen, Graf Gallas, auf Schloss Berum sein Hauptquartier ein. 1688 erwählte die Fürstin Christine-Charlotte nach ihrer Rückkehr aus Wien das Schloss zu ihrem Witwensitz. Sie hat viel zur Verschönerung der Schlossanlage beigetragen.

Schloss Berum aus nordöstlicher Sicht – Zeichnung Hermann Schiefer aus „Burg Berum – Bauliche Entwicklung und Ausstattung“ – Hefte zur ostfriesischen Kulturgeschichte 8 – Ostfriesische Landschaft

In den Jahren 1734 –-1742 war das Schloss Witwensitz der Fürstin Sophie Caroline, einer Schwester der Königin von Dänemark und Georg Albrechts zweiter Gemahlin. König Friedrich II. behandelte die Drosteien als Pensionen für seine Generale und Obersten. So finden wir 1760 den General Ziethen als Drosten von Berum und zur gleichen Zeit den Baron von Knyphausen, derzeit Preußischer Gesandter in London, als Drosten von Stickhausen. 1778 wurde Obert Courbiere, der sich 1806 als General durch die Verteidigung von Graudenz beträchtlichen Ruhm erwarb, Drost zu Leer.

VorburgHeute steht von der Anlage nur noch ein Teil der Vorburg (Foto von ehemaligen Standort des Schlosses aus aufgenommen). Das eigentliche Schloss existiert nicht mehr. Dennoch erinnern der große Park, die alten Wälle und der Burggraben an jene Zeit, in der in den Mauern dieses Schlosses ein Stück ostfriesische Geschichte geschrieben wurde.

Burg Berum Westansicht, April 2020 – Im Hintergrund links Villa Christina (Jägerhof)

KarteLange Zeit diente die Vorburg dem jeweiligen Amtmann des Amtes Berum, zu dem die Vogteien Arle, Ostermarsch, Hage, Nesse und die Inseln Baltrum und Norderney sowie ab 1852 die Herrlichkeiten Dornum und Lütetsburg gehörten, als Amtssitz (siehe Auszug aus nebenstehender Karte von Gerhard Coldewey (Advocatus fisci des Fürsten von Ostfriesland und Archivar des Landesarchivs) von 1730. 1859 folgte die zweite Vergrößerung mit dem Amt Norden. 1869 wird der Amtssitz nach Norden verlegt. 1884 wird der Landkreis Norden gegründet, der 1976 in einem größeren Landkreis Aurich eingegliedert wurde.

Zeichnung von HoltzEin besonderes Kleinod ist der heute noch in seinen Ausmaßen (130 * 190 m) erkennbare Barockgarten, der südlich der ehem. Schlossburg liegt. Auf den Pfeilern des Gartentores ist das Baujahr 1712 der Anlage beschriftet und der Name „Sans Regret“ (Ohne Reue). Umrahmt ist der Garten durch die Graften und Buchen- und Lindenalleen, die Parallelen bilden. Diese Charakteristik der begleitenden Alleenachsen unterscheidet Berum von anderen Gärten der damaligen Zeit. Erhalten ist auch die 1712 erbaute Orangerie mit Gärtnerwohnung (siehe letztes Bild), sie ist die älteste erhaltene Orangerie in Norddeutschland! Der nebenstehende Gartenplan (Zeichnung von Holtz) stammt aus dem Jahr 1735. Das rote Gebäude kennzeichnet die Orangerie.

Orangerie (Blick aus Südost), April 2020

Die ursprüngliche Bepflanzung mit Buchsbaumrabatten, beschnittenen Eiben und den rahmenden Hecken ist nicht mehr erhalten. Dieser geschichtlich hochinteressante Natur- und Kulturraum würde gute Möglichkeiten bieten, nach Erforschung seiner Geschichte und einer Restaurierung ein besonderes Juwel im touristischen Angebot zu werden. Der Vernetzung mit dem Landschaftspark Lütetsburg einschließlich der besonderen Baulichkeiten käme eine besondere Bedeutung zu.

Mitte des 19. Jh. wurde das imposante Schloss Nordeck im Stil des Historismus errichtet. Das Gebäude wurde im Laufe der Zeit verändert.

Als Zeitzeuge der wirtschaftlichen Möglichkeiten des beschriebenen Raumes ist Schloss Nordeck mit dem anliegenden Park, Mausoleum, Forsthaus, Orangerie und den ausgedehnten Wald- und Forstflächen von besonderer Bedeutung. Zeigt es doch überdeutlich die wirtschaftlichen Möglichkeiten dieses Raumes um die Mitte des 19. Jh.

Den Raum um Hage touristisch weiter zu entwickeln, bietet sich an. Der Fremdenverkehr partizipiert von diesen Besonderheiten des Raumes. Aus diesem Grunde gibt es ein steigendes Interesse im Bereich des Kultur- und Naturtourismus. Dieses weiter auszubauen und attraktiv durch ein Rad-, Wasserwander- sowie weitläufiges Wanderwegenetz zu gestalten, ist im vollen Gange und landesweit weiter zu entwickeln. Die vorhandenen baulichen, landschaftlichen und bauhistorischen Potenziale sind für den Kulturtourismus elementare Bausteine. Der engere Raum mit Wald, offenen Landschaftsteilen, verschiedenen Parksituationen und Nationalpark, Wasserläufen und EU-Vogelschutzgebieten ist für den Naturtourismus hervorragend geeignet.

Für Einheimische und Gäste bietet die Samtgemeinde Hage den Zugang zur Nordsee bei Hilgenriedersiel mit Salzwiese und Bademöglichkeit, Orte zum Flanieren und Wälder zum Spazierengehen.

Der gesamte Marschenbereich entlang der Nordseeküste von Hilgenriedersiel, das zur Gemeinde Lütetsburg/Hage/Berum gehört, über Greetsiel – dem Gebiet der Gemeinde Krummhörn – bis hin zur Stadt Emden präsentiert sich hier als eine historisch hoch interessante zusammen hängende Region. Es kommen Künstler aus dem In- und Ausland. Der „Musikalische Sommer in Ostfriesland“ ist weithin bekannt, für den Raum Hage/Berum jedoch weiter ausbaufähig. Der weite Landschaftsraum wird insgesamt von mächtigen Windmühlen aus dem 18. und 19. Jh. mit geprägt. Die höchste und mächtigste Windmühle befindet sich im Bereich der Ortschaften Hage/Berum. Ein 60 km Radius um Hage/Berum bietet also interessante kulturtouristische Sehenswürdigkeiten mit einer reizvollen unterschiedlichen Landschaftsgestaltung. Der Raum Hage/Berum liegt im Mittelpunkt unterschiedlicher Raumstrukturen. Alle interessanten Kulturrouten werden hier gebündelt.

Hauptallee Lütetsburger Wald, März 2020
Nordholz, frühere Ziegelei, März 2020
Herrenweg, Fürstenwald, März 2020